Interviews mit Nutzer/innen von Performance-Artefakten

Im dritten Schritt befragten wir elf Nutzende von Performance-Artefakten nach ihren diesbezüglichen Bedürfnissen, Einschätzungen und Erfahrungen.(1) Die Interviewten brachten zumeist Erfahrungen aus mehreren Tätigkeitsbereichen mit, z. B. Künstler/innen, die kuratieren, dokumentieren, unterrichten und forschen. Wir fragten die Nutzenden nach dem Stellenwert, den die einzelnen Artefakttypen jeweils innerhalb der praktizierten Überlieferung von Performancekunst einnehmen. Des Weiteren stellten wir u. a. die Frage, was eine Videoaufzeichnung im Gegensatz zu einem Zeugenbericht leisten kann und welche Rolle medieninhärente Aspekte dabei spielen. Die Antworten der Befragten lassen folgende Schlüsse zu: Kurator/innen und Künstler/innen stehen dem Aussagepotenzial der Artefakte generell kritisch gegenüber, Letztere sehen zudem die Dokumentation häufig als ein ‹notwendiges Übel› für die Selbstpromotion. Im Unterschied dazu nutzen Forschende und Lehrende Artefakte in ihrer Arbeit eher unter einem historisch-kritischen Blickwinkel.

In der Einschätzung von technischen Aufzeichnungsmedien zeichnen sich zwei Haltungen ab. Die Erste kann mit dem Begriff der ‹Realismusgläubigkeit› verbunden werden: In ihr artikuliert sich die Annahme, dass ‹Wirklichkeit› über die technischen Medien (Fotografie, Video) vermittelt werden könne. Der Liveact als ‹Original› steht bei dieser Position im Vordergrund. Die Artefakte und Dokumente bleiben von untergeordneter Bedeutung. Die zweite Haltung lässt sich als ‹konstruktivistische Haltung› bezeichnen: Hier wird allen Artefakten, auch der Fotografie und der Videoaufzeichnung, das Potenzial zugesprochen, fragmentarisches Wissen und Informationen über die Performance zu übermitteln. Aus dieser Sicht wird der Liveact gegenüber dem Artefakt nicht ‹überbewertet›.

Alle Nutzenden konstatierten die Wichtigkeit von sprachbasierten Artefakten (Texte, Flyer, Bild-Text-Kombinationen) bei der Auseinandersetzung mit Performances. Ebenso betonten sie den Wert von mündlichen oder auch schriftlichen Erzählungen, denen eine nachvollziehbare Vermittlung des Liveacts zugesprochen wird. Dass Augenzeugenberichte allerdings ebenso viel über die Wahrnehmungsweisen der Rezipient/innen selbst aussagen, wurde von den Nutzenden nicht ausdrücklich benannt. Folgende Umsetzungen wurden hervorgehoben: Der Augenzeugenbericht als direkte mündliche Erzählung, in aufgezeichneter Form als Audioaufnahme oder in schriftlicher Form als Text, aber auch Interviews mit Künstler/innen, die – wie aufgezeichnete Augenzeugenberichte – in Sammlungen / Archiven heute noch weitgehend fehlen, wurden als wichtige ‹Informationsquelle› genannt.

 


1 Siehe Namen der interviewten Nutzenden, die Interviewfragen unter related documents und die veröffentlichten Interviews mit Schweizer Künstler/innen unter: http://www.sikart.ch/archiv_performativ.