Ausgangsthesen

Der schwierige Zugang zu Dokumenten und Artefakten von Performances, die im Zeitraum von ca. 1970 bis heute entstanden sind, hat die Überlieferung und Vermittlung von Performancekunst zumindest in der Schweiz deutlich be- oder verhindert. Die praxisorientierte und künstlerische Forschung kann Modelle aufzeigen, die einerseits als Denkanstösse für theoretische und praktische Weiterschreibungen dienen und andererseits für die Realisierung eines prospektiven Performancearchivs nutzbar gemacht werden können.

Das Feld der Performancetheorie ist breit gefächert und von Kontroversen durchzogen. Die folgenden Zitate, die stellvertretend für bestimmte Haltungen innerhalb der theoretischen Diskurse stehen, dienten uns gleichsam als Leitgedanken und signalisieren zugleich eine Verortung unserer Überlegungen.


So unterstreicht das Zitat von Barbara Clausen die wechselseitige Konstitution von Performativität und Medialität.

«Das dieser Publikation zu Grunde liegende Bekenntnis besteht darin, dass der Umgang mit Performancekunst nicht mit dem authentischen Erleben anfängt und sogleich auch endet, sondern entgegen seinen ontologischen Ursprungsmythen als fortlaufender Prozess eines kontingenten Wechselverhältnisses zwischen Ereignis, Medialisierung und Rezeption zu verstehen ist.»(1)

Auch das folgende Zitat betont den engen Zusammenhang zwischen dem Livemoment und seinen medialen ‹Relikten›. Nach Rebecca Schneider kann die Performance selber als eine Form von Dokument verstanden werden, weil und indem sie kulturelle Praktiken tradiert. Ebenso kann einem Dokument Performativität zugeschrieben werden.

“When we approach performance not as that which disappears (as the archive expects), but as both act of remaining and a means of reappearance (though not a metaphysics of presence) we almost immediately are forced to admit that remains do not have to be isolated to the document, to the object [...].”(2)

Das dritte Zitat von Barbara Büscher versteht das Archiv als Sammlung von medialen Weiterschreibungen, deren Zugänglichkeit die Bedingung für die Tradierung von Performancekunst darstellt.

«In der Zusammenstellung dieser Fragenkomplexe wird deutlich, dass nicht mehr der Nachvollzug (oder eben der unwiderrufliche Verlust) einer performativen Authentizität im Zentrum der Überlegungen stehen kann. Die programmatische Spurlosigkeit, die lange Zeit als Charakteristikum von Performance und ihren subversiven Qualitäten angesehen wurde, ist in und durch die Archive der Künstler selbst in Frage gestellt. Augenzeugenschaft kann nicht (mehr) als einzige Quelle zukünftigen Wissens über vergangene Ereignisse anerkannt werden. Das Verhältnis zwischen Performance / Aufführung und dem, was zurückbleibt, kann nicht als eines zwischen Original und reproduzierbarem Dokument, sondern muss als mediale Transformation verstanden werden. Arbeiten am Archiv der Performance(-Kunst) verwandeln das ‹Verschwinden› in manifeste mediale Artefakte unterschiedlicher Provenienz.»(3)

 


1 Clausen, Barbara, «After the Act. Die (Re)Produktion der Performancekunst», in: dies. / Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (Hrsg.), After the Act, Die (Re)Produktion der Performancekunst, Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg 2006, S. 7/8.

2 Schneider, Rebecca, «Performance Remains», in: Performance Research, 6(2), 2001, S. 103.

3 Büscher, Barbara, « LOST & FOUND. Performance und die Medien ihres Archivs.», in: MAP – media | archive | performance, 1/2009, S. 4, perfomap.de (letzter Zugriff am 3.5.2010).